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Die Netzstruktur des WWW als Informationsträger: Indegree-Korrelationen benachbarter Knoten

Das WWW konfrontiert Benutzer bereits heute mit einigen grundsätzlichen Problemen. Die enorm dezentrale Form der Inhalte und deren ständiger Wandel führen dazu, daß es derzeit unmöglich ist, eine detaillierte Karte bzw. ein Inhaltsverzeichnis des WWW zu erstellen. Dieser Mangel macht das Auffinden von Informationen besonders schwierig. Um diesem Problem zu begegnen, sind Suchmaschinen ins Leben gerufen worden. Sie starten typischerweise auf einer Seite des WWW, speichern die Inhalte in einer Datenbank und folgen dann den Verweisen auf der Seite zu neuen Seiten. Dort wiederholt sich dieser Vorgang, bis die Speicherkapzitäten verbraucht sind oder der Vorgang zeitlich so weit fortgeschritten ist, daß viele Seiten bereits eine starke inhaltliche Änderung erfahren haben. Diesen Vorgang, bzw. dessen Ergebnis, nennt man ``Webcrawl''. Die begrenzten Speicherkapazitäten stellen Suchmaschinen vor das Problem, Seiten mit interessanten Informationen von solchen mit uninteressanten Informationen zu unterscheiden. Darüber hinaus erfordert der Zeitdruck gute Strategien um interessantere Seiten schneller zu finden. Auch nachdem große Teile des WWW in Datenbanken gespeichert und für die Suchanfragen von Benutzern zur Verfügung stehen, kehrt die Kernproblematik zurück. Je nach Suchanfrage werden häufig einige hundert Webseiten in den Datenbanken gefunden. Ein Benutzer möchte jedoch diese Seiten möglichst nach Informationsgehalt sortiert angeboten bekommen, um möglichst schnell genaue Antworten auf seine Anfrage zu finden. Daher bleibt trotz Spezialisierung ein zentrales Problem von Suchmaschinen, wie wichtige Seiten erkannt und möglichst schnell erreicht werden.

Motiviert durch den derzeit erfolgreichsten Algorithmus zur Bewertung der Relevanz von Webseiten der Suchmaschine ``Google'' [22] wurden Korrelationen zwischen den Indegrees benachbarter Knoten untersucht. Ein wesentlicher Aspekt des Google-Algorithmus ist die Annahme, daß der Indegree einer Seite in Verbindung zu deren Bedeutung steht. Daher können Korrelationen zwischen den Indegrees benachbarter Knoten Aussagen erlauben, welche Seiten eines Webcrawls potentiell auf interessante Seiten verweisen und ob sich eine Vertiefung des Webcrawls an dieser Stelle lohnt. Solche Aussagen könnten diesen Algorithmus und die Strategien von Suchmaschinen zum Auffinden relevanter Seiten verbessern. In den ungerichteten skalenfreien Netzwerken des Internet [38] und bei Proteinnetzwerken [39] zeigte sich, daß Knoten mit niedrigem Degree häufiger in der Nachbarschaft von Knoten mit hohem Degree existieren. Besteht ein ähnlicher Zusammenhang zwischen dem Indegree eines Knotens des WWW und dem mittleren Indegree der auf ihn verweisenden Knoten, dann würde eine bevorzugte Auswertung von Seiten mit niedrigem Indegree des Webcrawls häufiger zu relvanteren Seiten mit hohem Indegree führen.

In dieser Arbeit wurde für die Knoten des Webcrawls der Zusammenhang zwischen dem Indegree eines Knotens und dem mittleren Indegree seiner Nachbarn bestimmt. Dabei wurden nur die Nachbarn betrachtet, die auf den Knoten verweisen (Inlink-Nachbarschaft).

In einer weiteren Untersuchung wurden die Indegrees benachbarter Knoten anhand der einzelnen Verbindungen zwischen den Knoten genauer betrachtet. Dazu wurde die Häufigkeit von Verbindungen zwischen Knoten in Abhängigkeit von dem Indegree des Zielknotens und dem Indegree des Quellknotens bestimmt. In einem ersten Schritt wurde diese Verteilung mit der Näherung der Linkverteilung ohne Korrelationen zwischen den Indegrees benachbarter Knoten und ohne Korrelationen zwischen dem In- und Outdegree eines Knotens verglichen. In einem weiteren Schritt wurden die Korrelationen zwischen dem In- und Outdegree eines Knotens in die Näherung mit einbezogen.

Die erste Untersuchung der Inlink-Nachbarschaft ergab, daß der Indegree eines Knotens und der mittlere Indegree seiner Nachbarschaft nicht korreliert sind. Bei den genaueren, ungemittelten Betrachtungen der Linkstatistik wurden Korrelationen zwischen den Indegrees verbundener Knoten gefunden. Jedoch zeigte sich in der zweiten Näherung, daß diese im wesentlichen aus den Korrelationen zwischen dem In- und Outdegree der Knoten stammen. Die verbleibenden schwachen Korrelationen entsprechen dem gesuchten Zusammenhang zwischen den Indegrees benachbarter Knoten. Es konnte eine leichte Neigung beobachtet werden, daß Seiten mit beliebigen Indegree eher zu Seiten mit höherem Indegree verweisen. Ein stärkerer Unterschied zeigte sich bei Seiten mit einem Indegree größer als 40. Diese Seiten sind allgemein seltener Ursprung von Verweisen. Dieser Unterschied konnte als Hinweis auf eine professionellere Gestaltung dieser Seiten interpretiert werden, da Lehrbücher zum Webdesign [37] die Verwendung von wenigen Outlinks pro Seite empfehlen.

Unter dieser Annahme können Verbesserungen für die Crawl-Strategien von Suchmaschinen abgeleitet werden. Die Inhalte professionell gestalteter Seiten werden vermutlich gezielter gewählt oder sogar redaktionell bearbeitet. Daher kann davon ausgegangen werden, daß diese Seiten relevantere Verweise enthalten. Bei der Erstellung eines Webcrawls könnten daher Verweise von Seiten mit einem Indegree größer 40 bevorzugt verfolgt und auf diese Weise interessantere Seiten schneller gefunden werden.

Das Fehlen von Korrelationen zwischen dem Indegree einer Seite und dem mittleren Indegree der Inlink-Nachbarn stellt einen Unterschied zu den ungerichteten skalenfreien Netzwerken des Internet [38] und der Proteinnetzwerke [39] dar. Dort wurde für den Zusammenhang zwischen dem Degree $k$ eines Knoten und dem mittleren Degree $<k_{nn}>$ jeweils ein Potenzgesetz $<k_{nn}> \sim k^{-0.5}$ gefunden. Obwohl ein Vergleich mit dem gerichteten Netzwerk des WWW nur bedingt möglich ist, geben diese unterschiedlichen Korrelationen einen Hinweis darauf, daß sich diese Netze in ihrer Topologie vom WWW unterscheiden.

Desweiteren kann die erstellte Stichprobe des WWW Grundlage für weitere Untersuchungen des WWW sein.


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Autor:Lutz-Ingo Mielsch