Tagebuch
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Der Beginn.

Wo soll ich beginnen ? Jetzt sitze ich hier in der Tumorambulanz des Stästischen Klinkums. Derzeit sitze ich hier fast wöchenentlich und bekomme einige Infusionen. Wie immer ist es ein langer Tag mit viel Warten. Erst wartet man in der Schlange vor dem Schwesternzimmer, um sich anzumelden, dann auf die Blutentnahme, danach auf die Blutwerte und schliesslich darauf das die Therapie beginnen kann. Macht zusammen cirka 3 Stunden reines Warten.

Warten ! Zuerst dachte ich nach der Diagnose vor etwa einem Jahr hätte das Warten begonnen – nämlich das Warten auf den Tod. Aber inzwischen glaube ich das stimmt nicht. Im Grunde wartete ich schon immer. Ich warte immer darauf das etwas passiert. Oder habe ich schon immer nur auf den Tod gewartet ? Wenn es so war, dann warte ich jetzt auf das Leben. Irrsinnig, oder ? Plötzlich wird der Tod greifbar und man beginnt zunächst intensiv NICHT über das Leben nachzudenken. Dann versucht man es wie ein Staubsauger in sich aufzusaugen indem man jeden Besuch und jeden Sonnenstrahl bewundert und Helfern die kleine Fliegen aus Spinnennetzen befreien zu Tränen gerührt zuschaut.

Aber bald rücken wieder die Alltäglichen Dinge ins Blickfeld zurück und da kommen sie dann. Die Fragen. Erst die Vorhut „Ist das nicht alles Banal ?“, „Was denken die Leute vor dem Tod, die immer mit diesen pissigen Gesichtern rumlaufen ?“ und „Was mache ich mit der Zeit die mir noch bleibt ?“. Da ist der Haken: was mache ich nun ? Soll ich richtig einen Drauf machen und die Sau rauslassen, mich eben so richtig amüsieren. Oder vielleicht Kinder zeugen und ihnen meine restliche Zeit widmen ? Was kann ich tun ohne das es banal ist ?


Wo steckt im Lebens-Zirkus eigentlich der Sinn drin ?“


Banal ! Alles begann irgendwann vor 33 Jahren als kleiner kerngesunder Säugling mit 5 älteren Geschwister. Einer relativ glücklichen Kindheit und einem gegen den Vater revoltierenden Pubertätsdasein. Mir fiel eigentlich alles immer zu. Die Schulen haben eher unterhaltungswert gehabt, als Anspruch bzw. Arbeit. Alles war schön und gespickt mit den typischen Problemen und Anekdoten und Streichen , wie man es sich in einem Kinderroman von einer Familie mit fünf Söhnen und einer Tochter erwartet.

Ich hatte schnell einen Lebensplan bis zum Ende eines Studiums vor mir und auch eine vage Vorstellung von einem Job und einer Familie danach. Alles sollte mit coolen Dinge gespickt sein, wie langen Auslandsaufenthalten und tollen Forschungsarbeiten.

Der Vermuthstropfen in dem Roman war mein Vater, weshalb ich auch wenigen Monate nach meinem Abitur zu hause ausgezogen bin.

Also zog ich in die nächst größer Stadt nach Kiel und begann mein eigenes Leben in einer ziemlich muffigen Einzimmerwohnung.

Das Studium lief zwischenzeitlich schleppend und ich habe mich immer mal wieder umgeschaut, ob es nicht interessanteres auf der Welt gibt, wie mein Physikstudium. Wie wohl bei vielen Studenten habe ich endlich das Abitur-Gefühl „Hausmeister des Universums“ zu sein abgelegt. Endlich musste ich mir nicht mehr ständig Gedanken darum machen, was ich gegen den Hunger in der Dritten Welt tun könne oder Warum ich nicht alle Bäume gegen den sauren Regen abschirme. Eine Erleichterung, einersteits. Andererseits stand ich dort schon unterschwellig vor den Fragen. Ich habe auch hier und dort mal darübr gegrübelt, sogar in Gespächen mit Kommilitonen den Kopf heiss geredet, aber alles war letztlich nur heisse Luft. Mein Studium zog sich weiter hin und irgendwann entschloss ich mich dafür mein Studium endlich zuende zu bringen und einen Beruf zu ergreifen und mal nach einer Familie zu sehen. Also den Standardweg auszuprobieren.

Der Weg funktionierte garnicht schlecht. Plötzlich hatte ich einen super Nebenjob schon im Studium und die Firma machte mir gleich ein annehmbares Angebot zur Fetsanstellung nach dem Studium.

Alles begann praktisch von alleine zu laufen. Hinzu kam eine Frau in die ich mich sehr verliebt hatte und der Weg schien perfekt. Eigentlich hatte ich gedacht von nun an würde sich alles von alleine Regeln und die ewige Unruhe hatte mich praktisch verlassen. Alles ging seinen banalen aber erfolgreichen Weg. Ich konnte einige Weichen in der Firma auf Erfolgskurs stellen und begann gerade darüber nachzudenken welche Versicherungen man haben müsste und wie man ein Haus finanziert, sowie einen Flugschein macht und allerlei solches banales Zeug.

Das war für mich eine völlig neue Welt und ich fand sie garnicht so schlecht.

ein OpenOffice-Dokument "der beginn.sxw", datiert vom 11.04.2005
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